Beitrag zur Diskussion über Rietz-Typ-Rechenstäbe „Kiel“

Dr.-Ing.E.h. Günter Kugel – Mitglied der Oughtred Soc. (1993)

Beitrag zur Diskussion über Rietz-Typ-Rechenstäbe „Kiel“

Bezug:

(I) RS-Brief März 2003
(II) RS-Brief Januar 2002

Im letzten RS-Brief (I, Seite 39 u. 40) wurde über Rechenstäbe vom Typ RIETZ mit der Modellbezeichnung „Kiel“ diskutiert:

    • NESTLER Nr. 20 „Kiel“
    • FABER-CASTELL Nr. 1/94 „Kiel“

© Foto: Herr T. Nestler

Es wurde erkannt, dass diese Rechenstabmodelle in irgendeiner Beziehung zur Marineschule KIEL im 2. Weltkrieg standen. Ferner wurden merkliche Abweichungen der Datentabelle auf dem Stabrücken gegenüber der analogen Tabelle auf den üblichen Rietz-Typ-Rechenstäben mit der jeweils gleichen Modellnummer dieser beiden Hersteller festgestellt. Sollte dieser Unterschied auf den Stabrücken ausgereicht haben, um ein neues Modell mit der besonderen Bezeichnung „Kiel“ zu kreieren? Wohl kaum!

Dieses Ergebnis gab Veranlassung, noch einen eigenen NESTLER-RS Nr. 20/3 „Kiel“ etwas genauer zu untersuchen:

– Gewicht, RS mit Läufer: 89g

Läufer (Metall/Glas)11g

Pappkartonschuber 51g

Rechenstab, Holzkern, dunkelbraun mit kleiner Maserung

Celluloid-Belag allseitig, Frontseite nicht geschraubt

Papierstreifen mit Datentabelle, geklebt

        • Modul der Basisskalen C/D: 25cm
        • Skalensequenzs RIETZ-Typ

0 … 27 / K A = B C = D L / 1 : 25

= sin sin/tg tg = (Winkelgradteilung dezimal)

Hinweis: Die Frontskalen K bis L sind unbezeichnet!

– Läufer, Metallrahmen, unmagnetisch bis auf Stahlfeder,

dunkelgrau korrodiert,

Einprägungen am unteren Rand von links

nach rechts: kW q PSd

Glasplatte mit drei Indikatorstrichen,

links kleiner Strich für kW über Skala C/D, außermittig großer Strich über die volle Front, rechts kleiner Strich über Skala C/D

Hinweis: Dieses Indikatorbild entspricht dem der

Läufer-Frontplatte auf dem frühen DARMSTADT-RS Nr. 21!

– Datentabelle (Papierstreifen< auf dem Stabrücken) u.a.:

Heizwert und spez. Gewicht von verschiedenen Heizölen (Steinkohlen- und Braunkohlen-Teeröl), Treiböl (Gasöl) sowie Benzol,

spez. Gewicht und spez. Wärme von verschiedenen Metallen und Metall-Legierungen,

Heizöldurchsatz je Brennerdüse (2,5mm Bohrung) etwa 375 kg/h bei 8 – 12 at,

Kessel-Heizflächenbelastung je m² u. h,

Verdampfungziffer etwa 10 kg Dampf je kg Brennstoff,

elektr. Widerstand (Ohm für 100m u. 1 mm² und Zunahme bei Erwärmung um 100 °C in von verschiedenen Leitungstoffen,

Drahtquerschnitte und deren zul. Strombelastung

– Kehle im Stabboden unter der Zunge (schwarze Einprägungen):

„Kiel“ № 20 ALBERT NESTLER A.-G. LAHR i/B

d.r.patent,

Reichsadler auf Kranz mit Hakenkreuz Eigentum der Marineschule Kiel Nr. 1698

– Pappkarton-Schuber, schwarz, Aufdruck vorn und hinten, silbergrau:

Frontseite: ALBERT NESTLER A.G. (A. über G. gestellt) D.R.P. „Kiel“ Nr. 20/3,

Rückseite: Reichsadler mit Hakenkreuz (wie oben) Eigentum der Marineschule Kiel,

Kopfseite: 1698 (handschriftlich, weiß)

Zusammenfassung:

Als spezielle Merkmale des Rechenschiebers NESTLER Nr. 20/3 „Kiel“ können zur Abgrenzung gegenüber der normalen Ausführung des RIETZ-Typ Rechenstabes NESTLER Nr. 20 identifiziert werden:

        • dezimale (centesimale) Winkelgradteilung (360°- Vollkreis)
        • Läufer mit 3-Strich-Indikator-Glasplatte mit verkürzter Strich-
          länge links und rechts über Skala C/D
        • Datentabelle u.a. mit speziellen Angaben zu Brennstoffen, heiz-
          ölbefeuerten Dampfkesseln sowie elektr. Leitungen.

Die „Kiel“-Variante des einfachen RIETZ-Typ Rechenstabes – notabene ohne CI-Skala – ist vermutlich für die Bedürfnisse der Marineschule Kiel entwickelt worden. Die beiden bekannten Hersteller von Rechenstäben „Kiel“ Fa. A. NESTLER und Fa. A.W. FABER-CASTELL haben diese als kriegswichtig eingestufte Sonderanfertigung in hinreichend großer Stückzahl produziert. Die Stücke mit „Eigentum der Marineschule Kiel“ heben sich als Zeitzeugnisse aus der Gesamtmenge ab.