Neues zum Nestler „Kiel“ Rechenschieber

Herr Siegfried Lion hatte in seinem Beitrag zwei Besonderheiten des Nestler „Kiel“ Rechenstabes analysiert, mit der Bitte um eine Diskussion.

Andreas Faßbender greift diese Bitte auf, und führt die Analyse fort, insbesondere zur Wurzelausdruck. Seine Arbeit liegt als PDF-Datei vor.

Weitere Artikel auf rechenschieber.org zum Stichwort „Kiel“.

Weitere Anmerkungen zum Nestler 20F/3 Kiel Rechenstab

Der folgende Beitrag stammt von Herrn Siegfried Lion. Vielen Dank!

 

Hier auf dieser Seite wurde bereits öfter über den Rechenschieber Nestler 20F/3 Kiel und sein Anwendungsspektrum diskutiert. Darüber, dass es sich um ein Modell handelt, das zu Ausbildungszwecken für die Marineschule in Kiel von Fa. Nestler hergestellt wurde, besteht kein Zweifel. Vorder- und Rückseite des Schiebers geben meiner Ansicht nach schon deutlich Auskunft über die militärische Anwendung des Rechengerätes.

Hier zwei Beispiele:

  1. Auf der U2 Skala (nach Nestler) befindet sich eine \(\varrho^\circ\) Markierung bei \(180^\circ/\pi=57.3^\circ\). Diese fehlt bei üblichen Rietz-Schiebern und ist nur bei Kiel-Typen vorhanden. Einerseits ist sie hilfreich bei der Umrechnung von Gradmaß in Bogenmaß bzw. umgekehrt, andererseits lässt sich bei kleinen Winkeln, wenn man das Verhältnis von Gegenkathete zu Ankathete = Tangens des Winkels auf U2 und U1 gebildet hat, unter der \(\varrho^\circ\) Markierung auf der U1 Skala z.B. der Zielwinkel für einen Beschuss von See her zur Landseite ablesen. Angenommen das Schiff lag in Kielrichtung, um geringe Angriffsfläche zur Landseite zu bieten, zu einem Peilpunkt (Kirchturm) an Land und war die Entfernung zu diesem und zum Angriffspunkt (Tanklager oder ähnlich.) bekannt, konnte der Zielwinkel schnell ermittelt werden.Beispiel: 25 km Entfernung zur Küste und 2 km Landstrecke ergibt \({\mathrm Tangens} = 0.08\) und den Winkel unter \(\varrho^\circ = 4.58^\circ\).
  2. Rückseite: Wurzelausdruck links: \(\sqrt{2 g \cdot 427} = 91.53\). Hier fehlen einige Einheiten. \(g = 9.81 m/s^2\) (Erdbeschleunigung), \(427 m = 1400 ft\). Die 427 ist ebenfalls nur auf Kiel-Schiebern vorhanden. Hier wird eine Geschwindigkeit in m/s berechnet, die ein Objekt beim Fall im luftleeren Raum aus einer Höhe von 427 m beim Auftreffen auf den Erdboden erhalten würde. Nun ist festzustellen, dass eine Bombe bei einer Sturzflugbombardierung diese „Wurzelkomponente“ (in Richtung auf den Erdboden) zusätzlich zu der Geschwindigkeitskomponente, die sie durch die Flugzeuggeschwindigkeit hat, beim Auftreffen auf das Ziel erhält, also nach 427 m. Eine Sturzflugbombardierung hatte Vorteile bei kleinen Zielen, hier bei Schiffen, U-Booten etc. aufgrund hoher Präzision. Je tiefer das Ausklinken der Bombe erfolgen konnte, umso besser war die Treffergenauigkeit. Die Grenze soll um 450 m gelegen haben, da das Flugzeug aus dem Sturz noch abgefangen werden musste. Der Standardwinkel lag bei 70°, wurde aber auch verändert. Möglicherweise wurde der Geschwindigkeitswert durch Tabellenwerke berichtigt, da der Luftwiderstand berücksichtigt werden musste. Hier gab es für den Rechenschieber vielfältige Einsatzmöglichkeiten.

Nun gibt es wieder Diskussionsstoff!

Siegfried Lion

 

Englische Rechenschieber für Alkohol und Steuern

Im Arithmeum in Bonn ist noch bis mindestens Frühjahr 2024 die Ausstellung „Rechenschieber und Alkohol“ zu sehen. Dort kann man spezielle Rechenschieber und Meßgeräte zur Ermittlung der Alkoholsteuern in England bewundern. Siehe auch diesen Beitrag.

Werner Rudowski beschreibt in seiner neuesten Arbeit die Hintergründe des englischen Steuerwesens und auch die Aufgaben eines Excisse Officers. Die Verwendung der speziellen Rechenschieber und Geräte wird eingehend beschrieben und an Beispielen erläutert.

Diese Arbeit können sie hier herunterladen.