Wie bei solchen Treffen üblich, trafen sich einige Sammler mit Ehegatten am Vorabend zu einem gemütlichen Beisammensein im Gasthaus Pfudl. Dort wurden zunächst Erfahrungen zu den Übernachtungs- und Anreise- sowie Sight-Seeing- Möglichkeiten ausgetauscht.
Anschliessend gab es natürlich noch genügend aktuelle Themen zu Rechenschiebern.
Dank der freundlichen Unterstützung von Herrn Professor Baron fand das RST 17 im Zeichensaal der TU Wien statt. Das Programm wurde ad hoc gestaltet, und nachdem wir zunächst „befürchteten“, dass wir bereits mittags mit dem Stoff durch sind, haben wir einen interessanten ganzen Tag erlebt.
Klaus Krämer begann den Vortragsreigen zu „Kuriosem und Unerforschtem aus seiner Rechenschieber-Sammlung“. Dabei ging es zunächst um ein Modell von Breitling – den Chronoslide, der nicht eindeutig deutbare Skalen (ups) aufweist. Weiterhin stellte uns Klaus den Logomat 2300, einen Dring&Fage 60 cm mit der unbekannten Skala „seg ly“, einen Stahl-SchmelzofenRechner von Brown Boveri sowie einen Stossstromrechner von Siemens vor. Interessant – weil selten – war ein Nestler Modell Nr. 39 als Elektro System Besser. Weiter konnten wir noch einen Brikettrechner, einen Kühlraumrechner und einen Sirometer bewundern. Sobald der Vortrag auf www.rechenschieber.org veröffentlicht ist, wird sich Klaus Krämer über klärende Informationen aus dem Sammlerkreis freuen.
Im zweiten Vortrag habe ich über einen doppelzüngigen Buchsbaum- oder Satinholz- Rechenschieber aus dem 19. Jahrhundert berichtet. Auf diesem 30 cm RS mit Nasenläufer sind keine Herstellerangaben gemacht, so dass es darum ging, Hersteller und Herstellzeitraum herauszufinden. Eine auf der Rückseite des 5,4 cm breiten Stabes aufgebrachte Umrechnungstabelle in deutscher Sprache deutete zunächst auf einen deutschen Hersteller hin. Allerdings konnte ein fast gleiches läuferloses Modell aus der Dennert´schen Sammlung den Stab (Skalenlängen 25 cm) als einen aus dem Hause Tavernier/Gravet identifizieren – obwohl bei meinem Modell die TG-typischen Klemmnuten fehlen. In einigen JOS-Ausgaben 2001 (2) S. 37; 2002 (1) S. 28; 2002 (2) S. 22 war auch bereits über diesen Stab mit seinen bei Wurzel 10 geteilten A-Skalen berichtet worden. So liess sich als Entwickler dieses um ca. 1878 hergestellten Stabes ein E. Peraux aus Nancy herausfinden, der 1874 in den „Annales du Genie Civil“ eine Anleitung zum Rechnen mit zweizüngigen Rechenschiebern veröffentlicht hatte.
Diese hat Eugen Paulin freundlicherweise übersetzt und den Inhalt in einem dritten Vortrag beigetragen. Diese Anleitung weist auch auf Tavernier-Gravet hin, allerdings nicht auf die Anwendung der tachymetrischen Skalen auf den Zungenrückseiten (cos², sin² wie ½ x 2 alpha, 2 x alpha/2) dieses RS.
Aber wie kam es zu der deutschen Umrechnungstabelle auf der RS-Rückseite ? Hier konnte Irene Dennert spontan mit ihren Geschichtskenntnissen brillieren und uns über den deutschsprachigen Teil Frankreichs in den 1870iger Jahren aufklären. Sie machte uns damit deutlich, dass die Beschäftigung mit den Rechenschiebern auch zur Verbesserung unserer Geschichtskenntnisse beitragen kann.
Im nächsten Vortrag hat uns Gerlinde Faustmann den österreichischen (Logarithmen-)Tafelmacher Johann Konrad Blank (1757 – 1827) vorgestellt, der als Welt-Priester in Wien Mathematik unterrichtete und der sehr viel publizierte, um seinen Schülern und Studenten die Mathematik auf „einfache“ Weise näher zu bringen. Seine Büchertitel starten meist mit „Vollständige Anfangsgründe der….“ 1816 hat er seine „Tafeln der Logarithmen der Zahlen, Sinus und Tangenten“ herausgegeben. Nähere Informationen wird Frau Faustman als pdf beisteuern.
Als Kennerin der österreichischen Logarithmentafelmacher-Szene konnte uns Gerlinde Faustmann auch einige interessante Erklärungen zu den Autoren einiger von ca. 20 ausgestellten Logarithmentafeln von Wiener Verlegern geben, z.B. ist der Tafelmacher Joseph Salomon (Tables des Logarithmes, Wien 1827 – dort wurde zu dieser Zeit auch französisch gesprochen) der Erfinder des noch heutzutage angewendeten schriftlichen Divisionsverfahrens.
Nach dem Mittagessen überraschte uns Jochen Konrad-Klein mit einer Aufstellung der Unterschiede von ARISTO-Studio-Modellen aus mehreren Jahrzehnten. Dazu übergab er jedem der 13 Teilnehmer eine Ausarbeitung, in der nicht nur die ARISTO-Stäbe aufgeführt waren, sondern auch Nachahmer- und Konkurrenzprodukte. Wer bei der Vervollständigung dieser Aufstellung behilflich sein möchte, setze sich am besten direkt mit Jochen Konrad-Klein in Verbindung. Insbesondere geht es ihm darum herauszufinden, wann welche Änderungen beim Studio vorgenommen wurden.
Eugen Paulin trug durch einige Überlegungen zur Art, Anzahl und Anordnung von Log-Log-Skalen auf Rechenschiebern zu Jochens Studio-Ausführungen bei.
Im allgemeinen Teil des RST 17 haben wir die Themen International Meeting in Deutschland und nächstes RST besprochen. Für eine IM-Besprechung war der Kreis zu klein. Das nächste RST organisiert Manfred Weidauer vom 21.- 22. März 2009 in Erfurt.
Alle Teilnehmer waren sehr zufrieden mit diesem „etwas anderen“ RST und nahmen sich die neueste Ausgabe der FC-Aktuell mit dem Sonderteil „Geroldsgrün und der Rechenstab“ von Dieter von Jeziersky und Hans Schiller mit nach Hause.
Nochmals unseren besten Dank für die Beiträge, an Prof. Baron für den Zeichensaal und Gerlinde Faustmann für die Koordination vor Ort.
3.10.2008