Aristo im Deutschen Museum

Archiv des Deutschen Museums
Neuerwerbung: Firmenarchiv Dennert & Pape
[Der Artikel ist abgedruckt in: ARCHIV-info 3, 2002, Heft 1, S. 2]

Kurz vor Redaktionsschluss konnte das Deutsche Museum eine bedeutende Sammlung zur Geschichte der Rechenschieber übernehmen. Es handelt sich dabei um das Firmenarchiv von „Dennert & Pape. ARISTO-Werke KG“ aus Hamburg, der ältesten Spezialfabrik für Rechenstäbe in Deutschland.

Die Geschichte der Firma begann 1862, als Johann Christian Dennert (1829-1920) von seinem Meister, dem Mechaniker Carl Plath, die von diesem einige Jahre zuvor gegründete Werkstatt für geodätische Instrumente kaufte. Ursprünglich im Zentrum Hamburgs gelegen, verlagerte J.C. Dennert 1869 seine Produktion in das damals preußische Altona, um an staatliche Aufträge bei der Landvermessung von Schleswig und Holstein sowie des ehemaligen Königreichs Hannover zu gelangen. 1872 nutzte er die durch den deutsch-französischen Krieg entstandene Marktlücke – Rückgang des Imports französischer Rechenstäbe -, um erstmals einen aus Buchsbaum gefertigten Rechenschieber anzubieten. 1880 wurde als neuer Fertigungszweig der Bau von Pegel- und Flutmessern aufgenommen und in Cadiz der erste integrierende Flutmesser aufgestellt. Das Kerngeschäft blieb in den folgenden Jahrzehnten die Herstellung von Rechenstäben. Eine bahnbrechende Innovation war die Furnierung von Maßstäben mit dünnem, weißem Zelluloid, ein Verfahren, das 1886 für Deutschland patentiert wurde. Damit war eine lange Haltbarkeit und hohe Teilungsgenauigkeit gewährleistet. 1888 wurde Zelluloid auch für Rechenstäbe verwendet. Dieses Prinzip blieb im In- und Ausland jahrzehntelang erhalten. Erst 1936 wurde die Produktion von Zelluloid auf Astralon umgestellt, ein Mischpolimerisat, das besonders maßbeständig und unempfindlich gegen Feuchtigkeit ist. Diese neuen Rechenstäbe wurden unter dem Warenzeichen ARISTO verkauft, das nach dem 2. Weltkrieg in den Firmennamen aufgenommen wurde. Ebenfalls in den 1930er Jahren, im Jahr 1934, wurde am Institut für praktische Mathematik der Technischen Hochschule Darmstadt unter der Leitung von Professor Alwin Walther eine neue Skalenanordnung entwickelt, die als „System Darmstadt“ bei der Produktion von Rechenstäben weite Verbreitung fand.

Der Rechenschieber, im 19. Jahrhundert oft als das Werkzeug des Ingenieurs bezeichnet, fand zunehmend Eingang in Schulen und Ausbildungsstätten. In den 117 Jahren Firmengeschichte wurden Millionen an Rechenstäben produziert. Dabei gab es eine enorme Vielfalt, da sie den unterschiedlichsten beruflichen Anforderungen dienen sollten. Daneben verkaufte die Firma Nivelliere, Theodolite, Planimeter, Pantographen und Koordinatographen. Letztere wurden Anfang der 1960er Jahre erstmalig mit digitalen Programmsteuerungen zum automatischen Zeichnen verbunden. Die aufkommende Elektronik und die als Billigprodukte gefertigten Taschenrechner führten zu einem dramatischen Einbruch in den Verkaufszahlen von ARISTO-Rechenstäben. Zwar begann die Firma ebenfalls mit der Fertigung von elektronischen Taschenrechnern, konnte sich aber auf dem Weltmarkt nicht durchsetzen. 1979 wurde unter Hans Dennert, dem Urenkel des Firmengründers, die Fertigung eingestellt.

Aus Hamburg überführt wurden jetzt einerseits Hunderte von Rechenschiebern (mit zahlreichen „Normalen“), Rechenscheiben, Rechenwalzen, Theodoliten etc., die künftig in den Objektsammlungen des Museums verwahrt werden, und das eigentliche Firmenarchiv. Die Sammlung Dennert dürfte eine der bedeutendsten ihrer Art sein. Natürlich umfasst sie die Produktpalette der ARISTO-Werke, darüber hinaus aber auch Rechenstäbe von Fremdfirmen weltweit. Die Beobachtung der Konkurrenz schlägt sich auch in der Firmenschriftensammlung des Werksarchivs nieder, die über die eigenen Produktbeschreibungen und Gebrauchsanweisungen hinaus zahlreiche Firmenschriften von Herstellern aus dem In- und Ausland beinhaltet. Vom Firmenarchiv wurden 16 Umzugskartons an Unterlagen übernommen. Enthalten sind Werknummern-, Arbeits- und Reparaturbücher, Unterlagen zur Firmengeschichte, Patentunterlagen, Fotos von Produkten, Messepräsentationen und Firmenfeiern sowie die umfangreiche Firmenschriftensammlung. Während diese Archivalien besonders die Fertigung gut dokumentieren, fehlen kaufmännische Unterlagen völlig.

Mit der Stiftung des Firmenarchivs, die wir den Erben von Hans Dennert und insbesondere Frau Irene Dennert verdanken, hat unser Archiv im Bereich der Sammlung von Firmenarchiven eine wichtige Erweiterung erfahren.

Dr. Wilhelm Füßl

Leiter der Archive des Deutschen Museums


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