(Kurzvortrag, gehalten beim Deutschen Rechenschieber-Sammler-Treffen in Geroldsgrün am 13.4.2002, von Dieter von Jezierski)
Für Sammler existiert eine sehr attraktive Serie von Faber-Castell-Rechenschiebern, die von 1940 – 1951 gefertigt wurde. Es ist nicht mehr feststellbar, ob dies aus kriegsbedingten Gründen (z.B. Mangel an Messing für die Einlagen, Fehlen des verwendeten Schweizer Birnbaumholzes ) oder aber nur als Folge eines von Faber-Castell erreichten Patents geschehen ist.
Es handelt sich um das Patent Nr. 892693 RECHENGERÄT , Erfinder Dr. Heinrich Schwappacher ( zu dieser Zeit Laborleiter bei Faber-Castell).
Und mit diesem Patent hat es eine besondere Bewandnis. Das Patent bestand ab 18.Mai 1940, die Zeit von 8.5. 1945 bis 7. Mai 1950 wurde nicht auf die Patentdauer angerechnet. Und die Patentanmeldung wurde erst am 8. Januar 1953 und die Patenterteilung am 27. August 1953 bekannt gemacht. Ein Zusatzvermerk in dieser Bekanntmachung lautet: „Die Priorität der Schaustellung auf der am 3.März 1940 eröffneten Technischen Messe in Leipzig (das war 6 Monate nach Kriegsbeginn!, d.Verf.) ist in Anspruch genommen“.
Zu dem Zeitpunkt der endgültigen Patenterteilung (1953) war die Fertigung dieser Konstruktionsform (nur bis 1951) dann auch schon wieder beendet.
Liest man die Patentschrift, dann stellt man ein bemerkenswertes Kuriosum fest: In dieser Patentbeschreibung werden praktisch alle (positiven) Konstruktionsmerkmale der bis dahin von A.W. Faber und später A.W. Faber-Castell angebotenen Holz-Rechenschieber (teilweise durch Patente und Gebrauchsmuster abgesichert!) in Frage gestellt . Aus den Auslobungen des „Schwappacher“-Patents seien nur die zwei ersten Punkte aufgeführt, die dies sofort augenscheinlich machen. Es heißt dort z.B. :
„Bisher werden solche Geräte aus Vollholz gefertigt. Sie haben den Nachteil, daß bei ihnen in erhöhtem Maß die Gefahr des Verwerfens besteht. Mit Rechengeräten, die sich geworfen haben, kann jedoch nicht mehr genau gearbeitet werden. Man hat schon versucht , diesen Nachteil bei Rechenschiebern dadurch zu beheben, daß Metalleinlagen in den Führungskörper und in die Schiebezunge eingelassen wurden. Zum einen wird aber die Gefahr des Verwerfens auf diese Weise nicht zuverlässig beseitigt, zum anderen ist dadurch eine erhebliche Dicke des Rechenschiebers, sowie eine Gewichtssteigerung bedingt. Beides ist unerwünscht, nicht nur wegen der erschwerten Handhabung, sondern auch wegen der sich ergebenden erhöhten Frachtkosten.“ (?!).
Oder, es heißt weiter : “ Ein besonderer Nachteil bekannter Rechenschieber liegt ferner darin, daß die Zunge in ihrer Führung nur verhältnismäßig schwer zu verschieben ist, häufig nur ruckweise bewegt werden kann. Dadurch wird sowohl das Arbeiten mit dem Rechenschieber als auch die Genauigkeit der Einstellung erschwert. Dies ist besonders mißlich, denn erfahrungsgemäß hängt das Rechenergebnis von der möglichst genauen Einstellung der Zunge ab, wobei es auf Bruchteile von Millimetern ankommt.“
Diese Argumentation zugunsten der Erfindung wurde also benutzt, obwohl ja eigentlich die hier und so „abgewerteten“ bisherigen Rechenschieber bis dahin als optimal angesehen und angeboten wurden.
Es soll nicht der ganze Text der Patentbeschreibung wiedergegeben werden.
Um es auf einen kurzen Nenner zu bringen: Es ging eigentlich nur um den Holzkern, aus dem Stabkörper und Schieber ausgesägt wurden. Sogenannte Holzfolien ( sie waren von Holzstämmen auf eine Dicke von 0,05 – 0, 25mm abgeschält worden ) wurden so miteinander verleimt, daß alle Fasern parallel zueinander verliefen und dann vertikal oder horizontal im Stabkörper und dem Schieber angeordnet werden konnten.
Sie wurden mit Hilfe des Bindemittels (Kunstharz ) unter Druck und erhöhter Temperatur so miteinander verbunden, daß die Bindemittelschicht die Folien durchdrang (adhärierte) und diese durch Aushärtung eine chemische Veränderung erhielten. (Laminate).
Dadurch erhielt das Holz ein sehr dichtes Gefüge und war sehr resistent gegen starke Temperaturunterschiede. Ein sehr vorteilhafter Nebeneffekt war auch , daß die Stabkörper ein sehr elegantes, edelholzartiges Aussehen bekamen, soweit sie natürlich nicht durch die Zelluloidauflagen der Skalen und Konstantentabellen verdeckt waren..
Und seit 1940 existierten dann diese Neukonstruktionen, für die gesonderte Seriennummern ausgewiesen wurden. Sie umfaßten die damals bekanntesten Systeme , und an Stelle der 1/– Serie und der 4/– Serie wurden die Serien-Nummern 11/– und 44/– festgelegt. Nach dem derzeitigen Wissensstand wurden alle 11/– Modelle gefertigt und existieren als Sammlerstücke. (Übrigens ist auch ein Modell 33/11 Stahlbeton als Sammlerstück bekannt).
Schwieriger ist eine Festlegung des Angebots der 44/– (Halbmeter-Modelle).
Fast scheint es , daß nur (1947) eine Serie des Systems Disponent als 44/22 aufgelegt wurde.
Vielleicht kann dieser Bericht dazu beitragen, daß weitere vorhandene 44/– Modelle gemeldet und damit gefunden werden !? Es waren in Druckschriften genannt:
Darmstadt (25cm) 11/54 (50cm) 44/54
Normal (25cm) 11/60 (50cm) 44/60
Rietz (25cm) 11/87 (50cm) 44/87
Elektro (25cm) 11/98 (50cm) 44/98
Bei der Einführung wurden auch neu gestaltete (mit Banderole CASTELL, von zwei Waagen flankiert) grüne Pappetuis (erstmalig zu dieser Zeit in grün, bis dahin schwarz) vorgestellt . Die Rechenschieber selbst erhielten ebenfalls am linken Ende (nur zum Teil, einigeSerien) eine Art Banderole (CASTELL von zwei Waagen flankiert) eingedruckt. Das verwendete Holz hat, wie schon oben erwähnt, eine sehr elegant (hochglanzpoliert) wirkende Farbgebung , das gesamte finish (Zelluloidauflage, Skalen usw.) ist hervorragend.
Das wahrhaft Erstaunlichste aber ist, daß noch heute , also nach 60 Jahren, alle Modelle absolut einwandfrei arbeiten, mit bester Schieberzügigkeit, sie sind weder krumm noch verzogen.
Wenn man bedenkt, welche Technik (mehrere Schutzrechte) darauf verwendet wurde, um zum Beispiel einen Halbmeter-Rechenschieber der vorherigen Produktionsweise gegen etwaige Mängel zu sichern, dann ist ein heute noch vorhandener 44/22 (Disponent 50cm) von unglaublicher Qualität. Verziehen („dagegen“ DRP 206428), Krummwerden („dagegen“DRP 206428), schlechte Schieberzügigkeit („dagegen“ DRGM 522689 und DRP 365637) sind kein Thema , die Schichtholz-Rechenschieber, wie sie auch genannt werden, sind noch heute unvergleichlich zuverlässig, speziell in ihren konstruktiven Eigenschaften.
Sie wurden nur bis ca. 1951 gefertigt, dann wurde wieder das ursprüngliche Fertigungsverfahren, mit den Konstruktionsmerkmalen der Messingeinlagen, (beim 50cm-Modell) den Justierschrauben und vor allem „zersägtem“ Birnbaumholz aufgenommen.
Es gab keine „Laminate“ mehr! Man bot wieder unter den Ordnungsnummern 1/– und 4/– an!
Man kann heute nicht mehr erfahren, was die Gründe für eine Abkehr von dieser nur wenige Jahre dauernden Fertigung waren. War die Herstellung der Laminate zu teuer, war man skeptisch bzw. sich nicht sicher hinsichtlich einer lang andauernden (allerdings heute bewiesenen!) Qualität?
Die 11/–er und 44/–er – Rechenschieber (vor allem) sind heute gesuchte Sammlerstücke.
Und letztendlich ist etwas Erstaunliches festzustellen. Engagierte Sammler mit einer breiteren Palette von Faber-Castell-Rechenschiebern sollten einmal auf Modelle der Serien ab 1971 , z.B. 1/22 oder 1/87 achten. Hier taucht dieses „Schichtholz“ noch einmal auf! Gleichsam , als wollte man noch einmal zum Ende dieser Ära etwas Besonderes schaffen, wurden diese Modelle wiederum aus dem klimafesten (und so elegant aussehenden) Schichtholz gefertigt.
Sie haben aber zusätzlich wieder die Metalleinlagen, sie sind fast vollkommen mit weißem Astralon „verkleidet“, eine höhere Qualität war kaum noch erreichbar.
Ergänzung von Klaus Przadka
Im RS-Brief 7 hat Dieter von Jezierski einen Artikel zu F-C Schichtholz-Rechenschiebern verfasst, der für mich noch eine ungeklärte Frage offen läßt. Es geht speziell um einen 11/87 mit dem Zusatz „K“ in der Typenbezeichnung (sowohl im Stabboden als auch auf der Kopfseite des Pappschubers). Nach der Liste von Jürgen Bartzik (RS-Liste / F-C ab 1935) gibt es nur einen RS mit dem Zusatz „K“, nämlich den genannten 11/87K. Die Bedeutung des Zusatzes „K“ konnte ich bisher nicht in Erfahrung bringen.
In meiner Sammlung befinden sich 3 Rechenschieber mit der Bezeichnung 11/87; sie stammen alle aus dem Jahr 1946 und zwar aus den Monaten 4, 6 und 9. Als einziger hat der aus dem April hinter der Typenbezeichnung ein „K“; er unterscheidet sich von den beiden anderen dadurch, dass er im Stabboden kein Tiefenmaß (Stichmaß) hat und dass die Vorderkante leer ist (hier steht sonst die Skala M1:25).
Auf der anderen Seite habe ich mehrere RS des Types 1/87, die ebenfalls eine leere Vorderkante und kein Tiefenmaß haben (aus den Jahren 1943 bis 1945); diese sind nicht zusätzlich gekennzeichnet.
Sicher scheint mir zu sein, dass das „K“ nichts mit der Zusatzbezeichnung „Kiel“ (siehe RS-Brief 8 / RS Kiel) zu tun hat, denn die Rückseite des 11/87K weist keinerlei Besonderheiten auf.
Vielleicht kann auf diesem Wege zur Aufklärung beigetragen werden: wofür steht das „K“?