Wer waren Koch, Huxhold & Hannemann ?

Über diesen Hersteller von Rechenschiebern ist bisher wenig bekannt. Dieter von Jezierski erwähnt ihn in seinem Buch, auch im Nestler-Buch von Guus Craenen ist eine kurze Notiz mit etwa den gleichen Informationen zu finden. Nachfolgend werden diese bekannten Fakten ergänzt durch Informationen aus Gesprächen von Okt./Nov. 2001 mit Kurt Huxhold, dem Sohn eines der drei Firmeninhaber sowie weiteren eigenen Recherchen.

Kurt Huxhold war zum Zeitpunkt des Firmenendes 28 Jahre alt, hatte aber nie in der Firma seines Vaters gearbeitet. Viele Fragen mußten daher unbeantwortet bleiben, auch können Irrtümer nicht völlig ausgeschlossen werden.

Die Angaben zum Produktionsprogramm basieren auf Exemplaren aus der eigenen Sammlung sowie auf Informationen von anderen Sammlern. Diesen sei für ihre Mithilfe an dieser Stelle herzlich gedankt.

Firmengeschichte

Die Firma wurde als offene Handelsgesellschaft Ende 1909 in Hamburg, Ortsteil Hohe Luft, Falkenried 74 gegründet. Nach 1933 wurde die Straße in Otto-Blocher-Straße umbenannt, nach 1945 erhielt sie wieder den alten Namen. Es war damals eine Straße mit Ladengeschäften und einigen Gewerbebetrieben in den Hinterhäusern. In Anzeigen wird als Zustellpostamt Hamburg 30 angegeben. Eine Ansicht des Gebäudes ist leider nicht vorhanden.

Im Handels- und Genossenschaftsregister des Amtsgerichtes Hamburg wurden am 16.12.1909 als Gesellschafter eingetragen:

William Albert Klaus Diederich Koch, Tischler zu Hamburg

John Carl Rudolf Huxhold, Tischler zu Hamburg

Carl Fritz Emil Hannemann, Mechaniker zu Hamburg

Alle drei waren vorher Mitarbeiter bei Dennert & Pape in Hamburg-Altona.

Entsprechend ihrer handwerklich-technischen Ausbildung und ihrer bisherigen Berufserfahrung waren die Aufgaben in dem neuen, gemeinsamen Unternehmen verteilt. William Koch war für das Holz zuständig, John Huxhold sowohl für Holz als auch für technische Belange und Carl Hannemann für die allgemeine Technik und für die mathematischen Berechnungen der Teilungen.

Das Unternehmen war in begrenztem Rahmen durchaus erfolgreich und konnte die Familien der drei Eigentümer ernähren. Die Zahl der Beschäftigten war je nach Auftragslage schwankend. Neben den Eigentümern waren ständig 6-7 Personen beschäftigt, vorzugsweise Frauen.

Außer den Rechenschiebern wurden Lineale und Maßstäbe gefertigt.

Es gab keine eigene Verkaufsorganisation. Die Herstellung erfolgte daher auftragsbezogen für die verschiedenen Abnehmer. Kataloge hat es nicht gegeben, was die Ermittlung der hergestellten Modelle sehr erschwert.

Kernstück der Fertigung waren die Teilungsmaschinen, von denen zuletzt drei vorhanden waren, davon eine automatische.

Die Kriegsjahre brachten keine Einschränkungen der Produktion, sondern eher einen gewissen Aufschwung durch Aufträge für das Militär.

Mitte Juli 1942 starb John Huxhold im Alter von 66 Jahren. Er wurde am Vormittag des 20.Juli beerdigt. In der darauffolgenden Nacht wurden die Betriebsgebäude im Zuge des ersten großen Bombenangriffs auf Hamburg total zerstört. Damit endete die Herstellung und im Wesentlichen auch die Firmengeschichte.

Im erwähnten Handelsregister ist unter dem 18.3.1943, also 8 Monate nach der Zerstörung der Firmengebäude vermerkt, daß der Gesellschafter William Koch durch Tod ausgeschieden ist und der kaufmännische Angestellte Wilhelm Arnold Christian Koch eingetreten und später wieder ausgeschieden ist. Mit diesem Datum wurde der Name der Firma in „Huxhold & Hannemann, Hansestadt Hamburg“ geändert. Hierbei handelt es sich offenbar um die Dokumentation einer schon früher eingetretenen Veränderung. Nach der Erinnerung von Kurt Huxhold ist William Koch bereits Mitte der 30er Jahre gestorben. Sein Firmenanteil ging dann an seinen Sohn über, der zeitweise auch in der Firma tätig war.

In einem Plan für die Zuteilung von kriegswichtigen Materialien vom Anfang der 40er Jahre wird die Firma KHH ebenfalls noch genannt (siehe den Artikel von Dieter von Jezierski im RS-Brief 6). Nach dem Luftangriff vom 21.7.1942 hat wohl nur noch eine Abwicklung der laufenden Geschäfte stattgefunden. Die Löschung im Handelsregister erfolgte dann erst am 30.8.1944.

Produktionsprogramm

Normalstäbe

Aus dem Jahr 1911 datiert das DRGM 467 488, das einen Rechenschieber betrifft. Genaue Einzelheiten sind nicht bekannt.Dieses gilt auch für das kurz darauf folgende DRGM 470 810 vom 2.6.1911, das ebenfalls einen Rechenschieber zum Gegenstand hat.

Aus dem Beispiel des abgebildeten Stabbodens eines Rietz-Rechenstabes könnte man ableiten, daß sich der Gebrauchsmuster-Schutz auf die Art der Stabbodenschlitzung beziehen könnte.

Diese asymmetrische fünffache Schlitzung tritt nur bei KHH-Stäben auf. Bei Dennert & Pape bzw. Nestler findet man in der gleichen Zeit eine einfache oder auch vierfache symmetrische Anordnung der Schlitze.

Charakteristisch ist auch die Anordnung der 5 Schrauben auf der vorderen Kante.

Im übrigen besteht eine starke Ähnlichkeit mit den Modellen der beiden anderen genannten Hersteller aus der betreffenden Zeit.

Spätere Modelle haben keine oder eine einfache Schlitzung, siehe RS-Brief 7 „Identifizieren von KHH-Rechenstäben“.

Neben diesem Modell sind andere Ausführungen, teilweise ohne Kuben-, Mantissen- oder ST-Skalen als Normal- und einige auch als Taschenstab bekannt. Auf der Vorderkante ist in den meisten Fällen eine inch-Skala, manchmal aber auch 1:25.

Alle diese Modelle tragen entweder die korrekte Herstellerangabe, oder aber die des Vertreibers, wie z.B. Wichmann oder sie sind auch ganz ohne Angaben.

Als einfachste Ausführung ist ein Stab mit den 4 Grundskalen bekannt. Wie bei entsprechenden Modellen anderer Hersteller auch, sind Stabboden und Zungenrückseite nicht mit Celluloid belegt. Der Körper ist aber aus Mahagoni.

Diese Stäbe sollen direkt an Schulen geliefert worden sein, aber auch an Händler, wie ein Belegexemplar mit der Aufschrift „Rudolf Neumann Leipzig/1“ beweist.

Weiterhin wurde ein Elektro-Stab in der üblichen Skalenanordnung (mit W-Marke!) hergestellt. Er wurde in identischer Ausführung sowohl als Wichmann-Modell als auch für das niederländische Handelshaus Ahrend als Modell „Electro 654“ mit einer niederländischen Tabelle auf der Stabrückseite gefertigt. Das gleiche Modell wurde auch für Johann Faber mit der Modellnummer 9206 und der Zusatzbezeichnung „Golden Rod“ auf dem Pappschuber für deren Exportgeschäft hergestellt.

Interessant ist, daß bisher kein Darmstadt-Modell bekannt geworden ist.

Alle bisher beschriebenen Modelle zeigten die erwähnten characteristischen Merkmale. Es ist jedoch ein einzelnes, mit dem Firmenlogo eindeutig gekennzeichnetes Exemplar bekannt, das hiervon abweichend ist.

Es hat keine Stabbodenfederung, eine „runde“ 3, gleichmäßige Bezifferung der cm-Skala und ein geschwungene Pi-Zeichen in der Nestler-Version. Auch der dunkel-weinrote Pappschuber hat Nestler-Merkmale. Gab es hier wie bei Dennert & Pape eine Verbindung zu Nestler?

Nach der Erinnerung von Kurt Huxhold soll es in den 30/40er Jahren ein gutes Verhältnis zu Dennert & Pape gegeben haben. Man habe sich sogar alle 2-3 Jahre zum Jahresende zu einem informellem Treffen zusammen gefunden.

Sondermodelle

Ab 1912 wurde für das Hamburger Handelshaus Schacht & Westerich der spezielle Rechenstab „System Cuntz“ nach deren DRGM 536 689, das später zu einem Patent wurde, hergestellt. Dieser Stab findet sich z. B. in einem REISS-Katalog von ca. 1923 (in den Längen 16,5 und

24 cm).

Im Wichmann-Katalog von 1939 wird dieser Stab ebenfalls angeboten. Hier wird jedoch die Teilungslänge mit 19 cm angegeben und es sind auch andere Abweichungen zu erkennen.

Es ist als sicher anzunehmen, daß alle diese Stäbe von KHH hergestellt wurden.

Weiterhin ist ein Rechenschieber unter der Bezeichnung „Wasserversorgung und Entwässerung“ bekannt. Diese Bezeichnung steht unter der Zunge des Stabes unterhalb von „Walter Pfeffer Nachf., Halle-Saale“. Beide Zeilen zusammen bilden offensichtlich eine Firmenbezeichnung. Von den Skalen her handelt es sich um einen Kanal-Rechenschieber. Ebenfalls unter der Zunge ist zwischen Erläuterungen zu den Skalen und der Herstellerangabe das DRGM.1 214 848 angegeben. Dieses wurde ca. 1930 erteilt.

Ein weiteres, sehr interessantes Modell ist der Rechenstab „System Dr. Walter Nr. 48“. Dabei handelt es sich um einen Stab ohne Läufer von ca. 22 cm Skalenlänge mit zwei Zungen. Die obere hat eine rückseitige Skala, sie kann also gedreht verwendet werden.

Auch hierfür gab es ein DRGM, die Nummer ist leider bisher noch nicht bekannt. Der Verwendungszweck ergibt sich aus dem abgebildeten Ausschnitt der Gebrauchsanleitung. Vertreiber war die Firma Rudolf Neumann, Leipzig C1.

Aus der Gebrauchsanleitung kann entnommen werden, daß der Stab ca. 1924 auf den Markt gekommen ist.

Ebenfalls ein Sondermodell ist der „Wasser-Chemiker“-Rechenschieber, der in der Kriegswirtschaftsliste vom Anfang der 40er Jahre aufgeführt wird. Ab wann er hergestellt wurde, ist bisher nicht bekannt.

Vermutlich handelt es sich dabei um den Rechenschieber für Wasser-Chemiker System Dr. Janssen, der im Wichmann-Katalog von 1939 unter der Nummer 4368 beschrieben, aber leider nicht abgebildet wurde. Dieser 50cm lange Stab diente zur Berechnung der Natronzahl von Kesselspeisewasser, einer wichtigen Kenngröße beim Betrieb von Dampfkesseln. Obwohl dieser Stab teilweise noch nach 1945 in Gebrauch gewesen sein soll, sind bisher keine Exemplare in Sammlerkreisen bekannt geworden.

Abnehmer im Inland sind nach dem bisherigen Stand der Erkenntnisse folgende Firmen gewesen:

Schacht & Westericht, Hamburg

Gebr. Wichmann, Berlin

REISS, Bad Liebenwerda

Rudolf Neumann, Leipzig

Johann Faber, Nürnberg

KHH soll in beträchtlichem Umfang exportiert haben, dieses soll sogar das Hauptgeschäft gewesen sein. Ein großer Abnehmer sollen die USA gewesen sein, insbesondere die A.Lietz Co. in San Francisco. In Katalogen dieses großen Handelshauses aus den Jahren 1919, 1928 und 1945 – freundlicherweise von Rodger Sheperd zur Verfügung gestellt – konnte an Hand der dort zu findenden kleinen Abbildungen leider keine Zuordnung vorgenommen werden.

In der Schweiz sind Rechenschieber von Emil Pfenniger & Co, Zürich bekannt, die KHH-Merkmale aufweisen. Eine genaue Klärung der Zusammenhänge steht noch aus.

Die Herstellung für J.Ahrend & Son in den Niederlanden wurde schon erwähnt. Ferner befindet sich in einer niederländischen Sammlung ein Rietz-Stab mit eindeutigen KHH-Merkmalen, der mit „Plenio Reisszeuge“ markiert ist.

Unklar ist auch die Existenz von Modellnummern. In der schon mehrfach erwähnten Kriegswirtschaftsliste finden sich folgende Angaben:

10/R für einen normalen Rietz-Stab

13/C für einen Taschenstab

  1. für den Wasserchemiker-Stab

Diese Nummern sind nicht auf den Stäben angegeben (bei dem Wasserchemiker ungewiss, da kein Exemplar bekannt). Auf dem Sondermodell „System Walter“ ist dagegen die Nummer 48 vermerkt. Kann man daraus schließen, daß es eine interne Nummerierung gegeben hat und diese einschließlich aller Varianten mindestens 48 Modelle umfaßt hat?

Alle bisher genannten Stäbe waren aus mit Celluloid belegtem Holz. Gegen Ende der Fertigung soll auch versuchsweise mit dem Phenolharz Bakelit gearbeitet worden sein, nicht aber mit thermoplastischen Kunststoffen. Ob hiervon etwas über das Versuchsstadium hinaus gelangt ist, ist nicht bekannt.

Lineale und Maßstäbe waren ein weiteres Standbein. In einer Anzeige von 1916 steht unter dem Firmennamen „Präzisions-Rechenschieber und Maßstäbe“. Über diesen Produktionszweig liegen keine Kenntnisse vor. Nach Ausbruch des 2.Weltkrieges wurden in größerem Umfang spezielle Maßstäbe für die Artillerie und andere Truppenteile hergestellt.

Hinweise auf weitere Modelle und Abnehmer, Ergänzungen und Korrekturen sind jederzeit willkommen.

Darüber hinaus bleibt zu hoffen, daß bei der Aufarbeitung des Dennert-Nachlasses weiteres Material gefunden werden kann.

Georg Schreiber
Berliner Str. 269
D-47918 Tönisvorst